Wenn das Engagement die Weichen stellt. Die Fachtagung der AWO-Freiwilligendienste 2019
Knapp 5.000 zumeist junge Menschen absolvieren jährlich ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) bei der AWO. Damit die pädagogische Begleitung der Freiwilligen gelingt, findet einmal im Jahr die Fachtagung des AWO Bundesverbandes für die Pädagog*innen und Bildungsreferent*innen statt. Dieses Jahr nahm die Tagung am 8. und 9. Mai das AWO-Aktionsjahr zu sozialer Gerechtigkeit und Solidarität in den Blick. Zwei Tage lang tauschten sich die Kolleg*innen in Berlin untereinander aus, diskutierten miteinander und nahmen wichtige Impulse für die eigene Arbeit mit in ihre AWO-Gliederungen.
Susanne Rindt aus dem AWO-Bundesverband berichtete zum Stand der Freiwilligendienste im Kontext der aktuellen politischen Entwicklungen. Im Sommer 2018 wurde durch die CDU die Debatte über einen möglichen Pflichtdienst angestoßen. Familienministerin Giffey (SPD) hatte sich hingegen für den Ausbau der bestehenden Freiwilligendienste ausgesprochen. Doch die für 2019 zugesagte Mittelerhöhung wird nur von kurzer Dauer sein: Von den 65 Millionen Euro Mittelerhöhung werden im nächsten Jahr voraussichtlich nur 15 Millionen Euro erhalten bleiben. Wenn sich die Freiwilligendienste weiter inklusiv öffnen sollen, so Rindt, sei der aktuelle Betreuungsschlüssel von einer*m Pädagog*in auf bis zu 40 Freiwilligendienstleistende nicht mehr angemessen. Sie stellte heraus, dass die Freiwilligen bei der AWO laut Evaluationsergebnissen überwiegend sehr zufrieden mit der pädagogischen Begleitung seien. Dazu trage auch das gut funktionierende, bundesweite Gruppensprecher*innen-System bei. Freiwilligendienste, so Rindt weiter, seien außerdem ein wichtiges Instrument zur Fachkräftegewinnung.
Mangelnde gesellschaftliche Anerkennung der Freiwilligendienste
Obwohl die Formate FSJ und BFD für die Gesellschaft einen enormen Mehrwert haben, so Rindt, mangelt es immer noch an einer stärkeren Anerkennung und Wertschätzung der Freiwilligendienste. Um dies zu ändern und die Öffentlichkeit verstärkt auf die Freiwilligendienste hinzuweisen, konnten die Tagungsteilnehmenden im folgenden Vortrag innovative Methoden zur Darstellung der Trägeraktivitäten mitnehmen. Wie kann auch mit geringem Mitteleinsatz eine möglichst große Öffentlichkeit erreicht werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich Wolfgang Nafroths Input. Durch einfache Methoden ließen sich die oft verwaisten Infostände in den Fußgängerzonen auf kreative Weise ersetzen, so der PR-Experte. Wichtig sei hierbei Witz und Kommunikation auf Augenhöhen. Erfolgreiche PR brauche keine teuren Werbestrategien, sondern werde hauptsächlich durch gute Ideen getragen. Menschen neugierig machen, sie zum Nachdenken anregen und ihnen Möglichkeiten zum Mitmachen geben seien hierbei regelrechte Türöffner.
Einen Blick in die Praxis des Aktionsjahrs ermöglichten anschließenden die zwei Workshop-Phasen. In diesen stellten sich die Pädagog*innen Best-Practice Beispiele aus der eigenen Arbeit vor. Dabei ging es unter anderem um Jahresprojekte im Freiwilligendienst, Social Media-Strategien und die Vermittlung der AWO-Geschichte und -Werte im Seminar. Am Ende des Tages zog der Bundesverband gemeinsam mit den Teilnehmenden ein erstes Zwischenfazit zum Aktionsjahr der sozialen Gerechtigkeit, sowohl mit Blick auf bereits Umgesetztes als auch auf die Verstetigung vor Ort, den Beitrag für die innerverbandliche Stärkung und die Profilierung der AWO Freiwilligendienste insgesamt.
Die AWO-Identität als Ausgangspunkt und Ziel der pädagogischen Arbeit
Was bedeutet es, einen Freiwilligendienst bei der AWO zu absolvieren? Gibt es so etwas wie eine AWO-Identität? Diese Fragen diskutierten am zweiten Tag Wolfgang Stadler (Vorstandsvorsitzender des AWO Bundesverbandes), Dominique Hannig (Fachbereichsleitung Freiwilligendienste AWO Westliches Westfalen), Falko Schmidt (Vorsitzender des Landesjugendwerks der AWO Thüringen) und Cosmo Heldt (BFDler im Landesjugendwerk der AWO Berlin) unter Einbezug der Tagungsteilnehmende. Es wurde deutlich, dass ein Freiwilligendienst und die damit verbundene verbandliche Einbindung einen Menschen stark prägen und hier oft entscheidende Weichen für den weiteren Lebensweg gestellt werden.
Im Rahmen eines Word Cafés tauschen sich die pädagogischen Fachkräfte anschließend zu einzelnen Aspekten der politischen Bildung aus, die Eingang in das neue pädagogische Konzept der AWO-Freiwilligendienste erhalten sollen. Unter anderem wurde diskutiert, wie politische Bildung zielgruppenorientiert gestaltet werden kann und wie Beteiligungsmöglichkeiten noch stärker aufgezeigt und die Teilnehmenden zu eigenen Aktivitäten anregen werden können. Die Veranstaltung endete mit einer Zusammenführung der Inhalte und einer Abschlussdiskussion der neuen Erkenntnisse.
Im AWO-Jubiläumsjahr, 100 Jahre nach ihrer Gründung, macht die Weiterentwicklung des Verbandes auch vor den Freiwilligendiensten nicht halt. Die Fachtagung leistete dabei einen wichtigen Beitrag, die praktische Arbeit mit den Profilierungsstrategien der AWO-Freiwilligendienste zu verzahnen. Gleichzeitig wurden die pädagogischen Fachkräfte durch den Austausch aktiv in den Prozess der Öffnung und Weiterentwicklung der AWO Freiwilligendienste, insbesondere der politischen Bildungsarbeit, miteingebunden.